Musikvielfaltsinitiative: Was sagen die Kulturbetriebe dazu?

PROZ, November 2024, S. 10/11

Sabine Knosala

Im November stimmt Basel-Stadt über die Initiative «Für mehr Musikvielfalt» ab. Die PROZ hat Veranstaltungsorte, Orchester und Festivals nach ihrer Empfehlung gefragt.

Anfang 2022 hat die IG Musik die Volksinitiative «Für mehr Musikvielfalt» lanciert. Sie verlangt, dass Basel-Stadt das freie Musikschaffen mit mindestens einem Drittel des gesamten Förderbudgets im Bereich Musik fördert. Davon würden beispielsweise Rock, Pop, Jazz, Hip-Hop und Electronica profitieren. Aktuell unterstützt der Kanton laut der IG Musik vor allem Orchester und Institutionen.

Am 24. November stimmt der Souverän nun über die Musikvielfaltsinitiative ab. Grosser Rat und Regierung haben sich bereits dagegen ausgesprochen. So schreibt Regierungspräsident Conradin Cramer auf Anfrage: «Zum einen wurden erst kürzlich Massnahmen eingeleitet, welche die Bedingungen für das freie Musikschaffen im Kanton massgeblich verbessern – Stichwort: Trinkgeldinitiative. Zum anderen würde eine Umsetzung der Musikvielfaltsinitiative zur Umlagerung von Mitteln in der Höhe von 6 bis 8 Millionen Franken führen. Das würde voraussichtlich zu Entlassungen von fest angestelltem Personal und im Übrigen zu weniger Aufträgen für freie Musikschaffende führen.»

Aber was denken Kulturbetriebe, die in Basel mit Musik zu tun haben, über diese Initiative? Die PROZ hat bei insgesamt
15 Veranstaltungsorten, Orchestern und Festivals nachgefragt. Davon wollten fünf keine Stellung beziehen. So meint Tobit Schäfer von der Stiftung Kuppel: «Wir beziehen keine Position, weil die Initiative mit zu vielen Unsicherheiten behaftet ist. Sie definiert weder wer oder was genau gefördert werden soll, noch wie die Finanzierung geregelt werden soll. Das verunmöglicht leider, die konkreten Konsequenzen der Initiative abzusehen.» 

Ebenfalls nicht öffentlich äussern wollen sich der Bird’s Eye Jazz Club, das Jugendkulturfestival Basel, das Jazzfestival Basel und die Kaserne Basel – Letzere, weil sie einerseits eng mit der freien Szene verbunden ist, andererseits aber als Institution auch vom Staat unterstützt wird. Von den anderen zehn Kulturbetrieben empfehlen je fünf ein Ja respektive ein Nein. Es bleibt also spannend, wie sich das Basler Stimmvolk an der Urne entscheiden wird.

Kammerorchester Basel: NEIN

Der Wunsch nach grösserer finanzieller Unterstützung für die freie Szene in der Musik ist nachvollziehbar. Das Kammerorchester Basel unterstützt dies, jedoch nicht auf Kosten bestehender Strukturen. Die Musikvielfaltsinitiative spaltet die Musikstadt Basel, indem sie eine Umverteilung bestehender Mittel fordert, anstatt das kantonale Musikbudget zu erhöhen. Das gefährdet bewährte Strukturen und die Existenz freischaffender Musikschaffender.

Das Kammerorchester Basel trägt mit etwa 100 Konzerten jährlich in Basel und weltweit wesentlich zum Ansehen Basels bei und beschäftigt dafür 48 Musikschaffende auf projektbezogener Basis, dazu etwa 140 weitere Freischaffende pro Jahr. Mit der Musikvielfaltsinitiative ist seine minimale öffentliche Basisfinanzierung bedroht. Daher sagen wir entschieden Nein.

Kulturschiff Gannet: JA

Wir positionieren uns klar pro Initiative: Basels Musikangebot ist divers, bunt und vielfältig, und genau so soll dies auch in der Förderung der professionellen, freischaffenden MusikerInnen der unterschiedlichen Genres abgebildet werden. Die Musikschaffenden, die bei uns spielen, erzählen uns alle dasselbe: Ohne Förderung kann man schlicht nicht überleben – es sei denn, man möchte vom Profi- zum Hobbymusikschaffenden wechseln und sucht sich nebenbei einen Brotjob.

Übrigens: Diese Initiative will weder jemandem irgendetwas wegnehmen, noch stellt sie das Weiterbestehen eines der wertvollen Orchester unserer Stadt infrage. Im besten Falle wird sie angenommen und eine ausgewogenere Förderung des diversen Basler Musikschaffens ist das Resultat.

Basel Sinfonietta: NEIN

Die Basel Sinfonietta zeigt sich seit ihrer Gründung 1980 offen gegenüber anderen Genres und hat allein in der Saison 2023/24 in sechs Projekten über 363 Stellen mit freien Musikschaffenden besetzt. Im Streit um die Verteilung von Fördermitteln befindet sich die Basel Sinfonietta daher in einer Pattsituation. Wir können uns einerseits nicht gegen eine Initiative stellen, deren Kernanliegen musikalische Vielfalt sowie faire Löhne für freischaffende Musikschaffende sind. Andererseits wollen wir uns als «klassisches» Orchester mit unseren Kolleginnen und Kollegen der anderen Basler Klangkörper solidarisieren, welche die musikalischen Traditionen pflegen, auf deren Schultern die heutige Musik entsteht, die wir aufführen.

Da wir jedoch überzeugt sind, dass eine vielfältige, gerechte und nachhaltige Kulturförderung nicht auf Kosten bestehender Strukturen gehen sollte, unterstützten wir die Initiative nicht.

Blues Festival Basel: JA

Seit vielen Jahren wird die klassische Szene gepusht und die Unterhaltungsmusik der Privatwirtschaft zur Finanzierung (zum Beispiel durch Sponsoring) überlassen. Dabei ist es doch wichtig, dass traditionell volksnahe Musikrichtungen wie Jazz, Blues oder Rock auch von den Volksvertretenden ernster genommen werden. Gerade Jazz kann man in Basel auch an einer hervorragenden Hochschule studieren; Blues wird hingegen erst mit der «street credibility» richtig glaubwürdig, was nur durch viele Auftrittsmöglichkeiten erreicht werden kann. Zwingt doch die Jazzhochschule nicht, den Jazz als E-Musik zu deklarieren, nur damit er gefördert werden kann!

Sinfonieorchester Basel: NEIN

Die Initiative birgt trotz guten Absichten erhebliche Risiken für die Basler Kulturlandschaft. Die unklare Umsetzung lässt offen, ob eine Budgetumverteilung oder -aufstockung geplant ist. Eine Umverteilung ohne Erhöhung würde etablierte Institutionen wie unser Orchester existenziell bedrohen und den Leistungsauftrag gefährden. Dies hätte weitreichende Folgen: Opernproduktionen am Theater Basel wären beeinträchtigt, und paradoxerweise würde das auch freischaffende Musikschaffende treffen, da wir jährlich bis zu 300 zusätzliche Künstlerinnen und Künstler aus der freien Szene engagieren. 

Wir plädieren für eine ausgewogene Kulturförderung, die Vielfalt ohne Spaltung ermöglicht und bestehende Strukturen nicht gefährdet. Für eine starke, vielseitige Basler Kulturszene!

Parterre One Music: JA

Das Parterre One Music bekräftigt seine volle Unterstützung für die Musikvielfaltsinitiative. In den Bereichen Pop, Rock, Electronica und Indie hat das lokale und nationale Produktionsangebot erheblich zugenommen, sowohl in Quantität als auch in Qualität. Trotz der hohen Sichtbarkeit haben viele Bands Schwierigkeiten, von ihrer Kunst zu leben. Musik ist ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft und kann zudem als wertvolles Exportgut fungieren. Wir brauchen Musik in ihrer Vielfalt – daher sagen wir klar Ja zur Initiative!

Theater Basel: NEIN

Das Theater Basel ist ein Ort kultureller und musikalischer Vielfalt. Es beschäftigt in jeder Saison zahlreiche freie Musikschaffende, die in vielen Produktionen in Oper, Ballett und Schauspiel zu hören und zu sehen sind. Die Initiative für Musikvielfalt gefährdet die ebenso notwendige Partnerschaft mit lokalen Orchestern und damit auch die Fortschreibung eines vielfältigen, Jahrhunderte überspannenden, musikalischen Erbes in der Kulturstadt Basel.

Eine Diskussion um faire Löhne in der Kultur ist notwendig, sollte aber konstruktiv und mit allen Kulturschaffenden im Blick geführt werden. Als Teil eines Ökosystems, das aus dem Miteinander von freien Musikschaffenden und etablierten Musikinstitutionen besteht, lehnt das Theater Basel die Initiative ab.

Atlantis: JA

Das Atlantis unterstützt die Initiative, da sie eine faire und vielfältige Förderung aller Musikgenres sicherstellt. Aktuell profitieren nur wenige von öffentlichen Geldern, während viele freie Musikschaffende kaum Unterstützung erhalten. Die Initiative garantiert eine demokratische Verteilung, die den vielfältigen Musikgeschmack unserer Stadt widerspiegelt und der freien Szene eine faire Chance gibt. Zudem sorgt sie für transparente und gerechte Förderstrukturen, die allen Genres und Produktionsweisen gerecht werden. So wird eine nachhaltige Musiklandschaft für Basel geschaffen, die Diversität und kulturelle Teilhabe fördert.

Gare du Nord: NEIN

Freies Musikschaffen fördern – ja, aber nicht so. Die Musikvielfaltsinitiative spielt die verschiedenen Musikstile sowie institutionelles und freies Musikschaffen gegeneinander aus. Zudem kann die Forderung, dass «mindestens ein Drittel der öffentlichen Förderung an das freie Musikschaffen geht», mit dem aktuellen Budget nicht umgesetzt werden, ohne die bestehenden Musikinstitutionen in ihrer Existenz zu gefährden. 

Damit die Musikstadt Basel gedeiht, braucht es beides – eine breite, innovative freie Szene, aber auch die strukturelle Absicherung von Institutionen, die mit dieser Szene kooperieren. Gare du Nord beschäftigt zu 90 Prozent freie Musikschaffende, leistet als subventionierte Musikinstitution aber auch Aufbauarbeit, bietet Auftrittsmöglichkeiten und professionelle Strukturen.

Die Initiative unterschätzt die Gefahr, die für die Musikschaffenden selbst durch die Gefährdung der bestehenden Institutionen ausgeht. Daher lehnt Gare du Nord die Initiative ab.

Barakuba: JA

Die Verteilung der staatlichen Kulturgelder ist nicht mehr zeitgemäss. Staatliche Förderung soll die Vielfältigkeit inklusive der freien Szene berücksichtigen und allen Kulturschaffenden faire Arbeitsbedingungen ermöglichen. Nicht nur beim Musikschaffen, aber natürlich auch hier! Darum unterstützt das Barakuba die Initiative. Sie gibt uns die Gelegenheit, überfällige Fragen vertieft zu diskutieren. Die Verteilung der Kulturgelder geht uns alle etwas an!

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