PROZ, Oktober 2024, S. 19
Orina Vogt
Das Neue Theater Dornach bringt Werke der in Vergessenheit geratenen Basler Autorin Ruth Waldstetter auf die Bühne.
Über 50 Jahre lang war sie aus dem kulturellen Bewusstsein verschwunden, jetzt hat sie das Team des Neuen Theater Dornach wieder ausgegraben: Ruth Waldstetter, geboren 1882 unter dem Namen Martha Behrens-Geering in Basel, gestorben 1952 in Arlesheim, war zu ihren Lebzeiten eine der bekanntesten Schriftstellerinnen im deutschsprachigen Raum. Ihre Theaterstücke wurden unter anderem an den Stadttheatern in Bern und Basel aufgeführt, und auch ihre preisgekrönten Romane fanden breiten Anklang. Warum ihren Namen heute (fast) niemand mehr kennt, ist ein Rätsel. Umso glücklicher ist der Zufall, dass Jonas Darvas, Regisseur am Neuen Theater Dornach, gemeinsam mit Laure Aebi bei Recherchen auf diese spannende Persönlichkeit gestossen ist. Für sie war sofort klar: Diese Frau muss wieder bekannt gemacht werden!
Das Projekt «Bühne frei für Ruth Waldstetter!», welches Mitte Oktober Premiere hat, ist das Ergebnis dieses Vorhabens. Der Theaterabend verwebt Waldstetters wichtigste Dramen mit der Lebensgeschichte der Autorin. Schlaglichtartig tauchen wir so in das Ruth-Waldstetter-Universum ein, durchbrochen von Episoden aus dem ereignisreichen Leben dieser Frau. Da ihr literarisches Schaffen sich immer wieder aus ihren persönlichen Erfahrungen speist, stellen diese zwei Ebenen eine inhaltliche Ergänzung zueinander dar.
«Sowohl Waldstetters Biografie als auch ihre Werke werfen grundlegende Fragen zu Familie, Geschlechterrollen und dem Leben als Kunstschaffende auf», erklärt Jonas Darvas. Als geschiedene Frau und selbstständige Autorin befand sich Waldstetter zu ihrer Zeit in einer Aussenseiterinnenrolle und musste sich immer wieder mit diesen Fragestellungen auseinandersetzen. Ein Umstand, der auch ihr Werk geprägt hat. Immer wieder müssen sich Frauen darin ihre Unabhängigkeit erkämpfen oder ihre Rolle in der Familie neu verhandeln. «Was aus heutiger Perspektive selbstverständlich klingt, war zur Zeit der Veröffentlichung dieser Werke ein mutiges Statement», meint der Regisseur.
Im historischen Kontext
Diesem Zeitgeist möchte sein Team gerecht werden, indem es die Dramen von Waldstetter «in historischer Aufführungspraxis» auf die Bühne bringt. Konkret heisst das, dass die Handlung in der Zeit der Veröffentlichung der Stücke verortet wird. Das Publikum taucht also auch ästhetisch in die Welt von Waldstetter ein. «Dies regt einerseits zu einem Nachdenken darüber an, wie weit sich die Möglichkeiten von Frauen im letzten Jahrhundert entwickelt haben», so Darvas. Andererseits lasse es uns aufmerken, wie erschreckend schnell eine Frau, die für diese Freiheit kämpfte, wieder in Vergessenheit geraten sei. Mit «Bühne frei für Ruth Waldstetter!» ist immerhin schon ein erster Schritt gegen dieses Vergessen getan.
«Bühne frei für Ruth Waldstetter!»: Premiere Sa 19.10., 19.30, Neues Theater Dornach, www.neuestheater.ch
Porträtfilm zu Ruth Waldstetter: www.youtube.com