PROZ, April 2024, S. 19
Dagmar Brunner
Das Vorstadttheater startet am neuen Spielort mit der berühmten Artus-Sage.
Obwohl sie anstrengende Monate hinter sich haben – mit ihrem Umzug, den Umbauten, der Programmplanung – wirken die Mitglieder des Vorstadttheaters munter und kreativ. Vor allem freuen sie sich über das neue Domizil im Gemeindehaus Oekolampad, wo sie mehr Platz und Möglichkeiten haben. Elegant und praktisch zugleich wirkt der schwarze Theaterraum mit 130 bequemen Sitzen, der sich in einer riesigen hölzernen Box im ehemaligen Gemeindesaal befindet (mehr zum Haus siehe PROZ 3/24). Während unserem Gespräch wird dort an einem grossen runden Tisch gewerkelt, der in der ersten Hausproduktion am neuen Ort eine besondere Bedeutung hat.
Das Stück basiert auf dem opulenten Drama «Merlin oder Das wüste Land» von Tankred Dorst, das Ende der 1970er-Jahre entstand und 1981 in Düsseldorf uraufgeführt wurde. Es war eine bedrückende Zeit, geprägt von Gewalt, Unsicherheiten und Umbrüchen. Visionen fehlten, aber die Sehnsucht danach blieb – so wie heute. Der Text handelt vom Scheitern aller Utopien und vom Traum einer friedlichen Gesellschaft. Merlin, der Sohn des Teufels, soll den Menschen zum Bösen führen und so befreien. Doch er widersetzt sich, gründet mit Artus eine hehre Tafelrunde, will Gleichheit und Gerechtigkeit. Aber Ängste, Neid und Eifersucht zersetzen die Ideale.
Ambivalenzen aushalten
Theaterleiter und Regisseur Matthias Grupp, der den Stoff vor 20 Jahren schon einmal bearbeitet hat, findet ihn heute aktueller denn je. «Das Stück verwebt die Artus-Welt mit der Gegenwart. Es gibt 112 Arten zu scheitern. Letztlich geht es darum, wie wir zusammenleben wollen. Das muss demokratisch verhandelt werden.» Das Ensemble besteht aus 7 Profis und 22 Laien zwischen 8 und 70 Jahren, die mit Spiel, Tanz, Gesang und Herzblut dabei sind und auch mit Geschlechterrollen kreativ umgehen. Zu Beginn werden mehrere Geschichten erzählt, die sich langsam zu einem Konflikt, schliesslich zum Krieg verdichten. Eine wichtige Frage sei, sagt Theaterleiterin und Schauspielerin Gina Durler: «Wie kehrt man um, wenn es ausweglos scheint? Wenn wir uns immer wieder aufraffen, das (Streit-)Gespräch nie aufgeben, können neue Ideen, andere Wege gefunden werden. Es gibt keine einzig richtige Wahrheit, vielmehr gilt es, Ambivalenzen auszuhalten.»
Das Ensemble hat mit einem Philosophen zusammengearbeitet und lädt im Rahmenprogramm (unabhängig vom Theaterbesuch) auch zu Gesprächen am runden Tisch ein. Geladene Gäste und Publikum sind aufgefordert, Zukunftsvisionen zu entwickeln: Welche Gesellschaftsform könnte zu einem friedlichen Miteinander führen, wie sieht eine hoffnungsvolle Zukunft aus?
«Merlin oder Das wüste Land» (ab 12 J., 180 Min. mit Pause): Sa 20.4. bis So 2.6., Vorstadttheater, Gemeindehaus Oekolampad, Allschwilerplatz 22, Basel
Theater-Eröffnungsfest: Sa 4.5., 14–22 h (offizielle Feier 17 h), www.vorstadttheaterbasel.ch